Heilendes Wasser, an bestimmten Sonntagen kurz vor Frühling, Sommer, Herbst oder Winter soll es besonders intensiv helfen, gegen Rheuma, Krebs, Leberprobleme, Parkinson, Schlafstörungen,
Nervosität und vieles mehr. Schon im Schwarzwald begegnete ich an so manchem Wanderpfad vor allem russisch sprechenden Heilwasser-Fanatikern, die Unmengen von Wasser in Plastikkanister füllten
und auf ihre Dachgepäckträger hievten. Ab und an verleiteten mich diese Menschenansammlungen auch zum befüllen einer Flasche, ich muss sagen, das Wasser schmeckte immer tadellos!
Dschermuk's (armenisch Ջերմուկ, in wissenschaftlicher Transliteration J̌ermowk, IPA: [d͡ʒɛɹ'mɯk]) Mineralwasser soll vor allem gegen Magen- und
Leber-, wie auch Herzprobleme und sogar Krebs helfen.
Pro und Contra Quelle
Auf über 2000 Metern Höhe wollten wir dieses außergewöhnliche Heilwasser testen. Tatsächlich waren die vielen Jugendlichen denen wir auf unserem Spaziergang begegneten gesegnet mit reinster Haut,
was eindeutig der erste Pluspunkt für dieses Wasser, den Ort oder zumindest die klare Höhenluft ist.
Endlich an der Heilwasserarkarde angekommen, tummeln sich einige Touristen, aber auch Kurgäste aus den Spas nebenan um die Steinvasen, in welche der Wundersaft fließt. 30 bis 53 Grad warme
Rinnsale ergießen sich aus der Wand zwischen vielen Rundbögen an welchen ich wieder einmal der russischen Sprache begegne.
Jede Temperatur helfe gegen ein anderes Leiden, man könne aber auch einfach alles mal durchkosten oder Kanister auffüllen, erfahren wir von gesprächigen Kurgästen. Für unvorbereitete Neulinge wie
uns gibt es sogar Tassen oder Plastikbecher zu kaufen.
Jermuks Wasser aus der Wand schmeckt sehr salzig, mineralhaltig und mir nicht sonderlich gut. Doch je heißer die Kostprobe, desto angenehmer empfindet meine Zunge dieses warme Getränk. Bei 53
Grad fülle ich mir einige Male den Becher nach. Die Hitze des Wassers ist angenehm, angenehmer als einige eiskalte Bergquellen und das trotz der sommerlichen Temperaturen.
Einer der Becher und Tassen-Verkäufer spielt pfeifend auf einer Flöte, kommt auf uns zu und bedrängt uns es auch zu probieren, als Waldemar die Flöte nimmt, macht der Armenier Anstalten, er solle
doch bitte hinter der Säule spielen, da ihn sonst die Kameras sähen. Wir entdeckten keine Kameras und auch nicht die Zuneigung zu dieser Flötenmusik. Immer wieder die Bögen betrachtend und nach
Kameras Ausschau haltend schlendern wir der Wassergallerie entlang. Wir werden von einem vollbärtigen Künstler angesprochen, der die leeren Flächen der ganzen Arkade für eine Blumen- und Muschel-
Ausstellung nutzt. Er reibt tranceartig auf einer Leinwand und erklärt uns irgendwas, wobei ich nur den Bewegungen seiner Hände auf der Leinwand folgen kann, nicht aber seinen Worten. Wir
verabschieden uns und werfen noch einen flüchtigen Blick in die Broschüren der Spa-Resorts. Auf dem Rückweg fragen wir uns ob zu viel des Zaubertranks vielleicht verrückt macht und die beiden
Herren wohl die postmoderne Version von Asterix und Obelix sein könnten, der Künstler trinkt stetig und der Musiker ist als Kind hinein gefallen.
Ob Hotelaufenthalte mit Behandlungen nach Sowjetrezept, Tagesausflug an die Wassergallerie oder umfassender Lebensinhalt, die Quellen mit dem Wasser, ob man nun hinein liegt oder daraus trinkt,
sind eine mehr als spannende Geschmacks- und Lebenserfahrung.
Berühmte Arkade zum Wassertanken in Dschermuk
Noch mehr Kuriositäten
Um den See herum leuchtet alles bunt in der Abendsonne. Unsere Geschmackssinne haben wir schon herausgefordert, der künstlich angelegte See ist ganz nach unserem Geschmack. Zwischen Birken und
Eichen spazieren wir in raschelndem Laub und haben die Reflexionen auf dem Wasser ganz für uns allein.
Nuancen von orange, rot, gelb; Büsche, Laubbäume, Schilf, eine ideale herbstliche Fotokulisse. Feingegliederte Stahllamellen thronen über vielen Baumkronen, ein menschengeschaffenes Werk, dass
mit grau-silberner Kälte die organische Wohlfühlatmosphäre durchbricht.
Als wir hineinstapfen staunen wir über schönen Parkett der gegenüber mehrerer Zuschauerränge zum tanzen einlädt. Ein Konzertsaal, Opern, Ballett und Theater wurden hier aufgeführt. Wir fühlen uns
wie Dramatiker und Komödiantinnen, Ballerinas und Opernsänger. Dann wollen wir raus, nach Hause und werden im Gebäude aufgehalten. Bevor man nämlich in Jermuk ins Theater ging, konnte man im
selben Gebäude Schwimmen. Gegen unangenehmen Körpergeruch im engbestuhlten Saal war das 3-Meterbrett hopsen vor Einlass wohl die beste Wahl.
Während Mann sich von den zerbrechlichen Ballerinen bezirzen lässt, nimmt Frau die nassen Körper der Turmspringer und Freistil-Wettkämpfer genau unter die Lupe. Nach dem Ballett kurz den Frack
oder das Abendkleid losgeworden und im Heilwasser geschwommen, gehörte bestimmt zum guten Ton.
Sehr eigenartiges Gebäude mit einer ungewöhnlichen Idee die uns gefällt und gut zum Liebevoll-verrückten Jermuk passt.
Eigentlich bin ich ein Kuhliebhaber, aber...
Rund um den Kurort gibt es verschiedene Wanderrouten. Zu einem silbernen Hirsch auf einem Berg, einer Kirche, einem Geysir und so einiges mehr. Einen solchen Hirsch kennen wir bereits aus dem
„Höllental“ im Schwarzwald und vor einer Armenischen Kirche parken wir gerade, also wird es für uns wohl der Geysir.
In der ganzen Stadt stehen 4x4 Ladas und Nissans, die an alle dieser Sehenswürdigkeiten über Wassergräben rasen. Allerdings sind die Anpreisungen der Fahrer weniger verlockend, da viele nicht
gerade fahrtüchtig riechen.
Eine Tagestour bis zum Geysir, zu Fuß-diesmal nicht.
Wir reiten durch die vielfältige Landschaft rund um dieses Städtchen.
Ich war nie ein Pferdemädchen, mehr mochte ich Kühe, warum das so ist weiß ich nicht. Kuhreitangebote gibt es nicht und aus meinem Poesiealbum kriecht mir ein Spruch ins Gedächtnis: „Auf dem
Rücken der Pferde liegt das Glück der Erde.“ Innerlich versöhnte mich der Spruch mit den Huftieren, die ja geschäftlich auch mit Kühen zu tun haben.
Werbung und Wahrheit - Ein armenischer Ausritt
Der Pferdeflyer zeigt drei Hengste samt Reiter mit Helmen. Warum auch immer sind die Pferde mit einem Strick miteinander verbunden und gehen Polonaiseartig hintereinander.
4 bis 5 Stunden soll unser Ausritt dauern, wovon 10 Minuten Training auf dem Pferd vorgesehen sind, sowie eine Einführung, zur artgerechten Haltung beziehungsweise zum tierwürdigen Reiten eines
Pferdes.
Wundervolle Natur und Fotos vom Geysir sind außerdem in den verpixelten Aufnahmen zu deuten.
Punkt 10 Uhr war unser Cowboy da, gesattelt und eher weniger gestriegelt standen neben ihm 3 Gäule, die grasten.
„Dobri Den, kak u was?“ (Guten Tag wie geht's Ihnen?), bleibt von dem sonnengebräunten Mittvierziger unbeantwortet. Ok, na gut, dann mal die Pferde begrüßen und losgaloppieren.
Genau so läuft das hier, jeder schwingt sich auf den Rücken und ich halte kurz inne um eventuellen russischen Erklärungen auch folgen zu können, doch unser Reitlehrer reitet gemütlich los und
sein Blick sagt mir, wir sollen es ihm gleichtun. Mein Pferd läuft wie magnetisch angezogen in angenehmem Tempo dem stummen Cowboy hinterher. Waldemars und Mathildas ist ein fauler und dicker
Schimmel, den die beiden gleich mit der Reitgerte auf trab bringen sollen, es aber nicht schaffen.
Die erste halbe Stunde vergeht und unser Trainer ruft immer wieder ein Wort und grinst: „Dawai.“
Die Werbestrategie war wohl, Sicherheit zu suggerieren, mit Helmen und Polonaise tanzenden Pferden, über die man dann auch noch etwas erfährt und total geschult 4-5 Stunden auf ihren glücklichen
Rücken hin und herwackelt. Die Wahrheit ist, kein echter Cowboy hat lust irgendwelchen Touristen irgendeinen Käse zu erzählen, den er selbst nicht praktiziert. Sein Motto ist
eher, mach einfach, das klappt schon irgendwie ohne Helm und umso mehr Selbstvertrauen. Mir ist das ganz recht, da ich jetzt auch nichts wirklich falsch machen kann.
Die kahlen Hügel und der gelbe, steinige Untergrund der die Hufen zum klappern bringt, suggerieren Freiheit - das ist vielleicht das Glück der Erde aus meinem Poesiealbumsspruch.
Unsere Pferde machen irgendwie das was wir wollen, vertreten sich auch nicht ihre schlanken Beine als es steil einen Hang mit Geröll hinauf geht. Wir spüren den frischen kühlen Wind am See mit
den vielen Laubbäumen. Bald wachsen nur noch Sträucher, auch Weißdorn, von welchem unser Tourguide immer wieder nascht und Schilder, die auf Bären hinweisen. Die Gäule waten durch tiefe Pfützen,
während wir den peitschenden Ästen der Bäume ausweichen. Wir sind im Flow und teilweise sogar recht schnell mit unseren neu erworbenen Kenntnissen über Pferde.
Unser ganz schweigsamer Cowboy
Jermuk heißt übersetzt Geysir
Ein Miniaturgeysir, im Ausmaß eines DIN A4 Papiers, der orange leuchtet ist der Vorbote für das was uns hinter der nächsten Matschgrube erwartet.
6 Offroadvehikel und fast 30 Finnen und Finninnen umzingeln den großen Geysir, den wir nur erahnen können hinter den vielen Hosenbeinen.
Pause-mit dem schweigsamen Reiter teilen wir Orangen, Nüsse und Lawasch. Der Hunger ist gestillt und die Neugierde der Skandinavier, denen wir zum Abschied winken anscheinend auch. Nach
aufgewirbeltem Staub von den Allradmobilen, macht sich Stille breit, die unterbricht zur großen Überraschung mal unser geduldiger Guide, mit gewohntem „dawai“. Wir gehorchen, knipsen
schnell die letzten Fotos und sind schon im warmen Wasser des Geysirs. Jede 6 Minuten sprudelt warmes eisenhaltiges Wasser, eine natürliche Massage, dank vulkanischem Gebiet. Die Erde pupst hier
Kohlensäure, und wir erfreuen uns daran, baden im wohlig warmen Wasser und fotografieren von Schwefelgasen gelb-orange gefärbte herzförmige Becken.
Hier gibt es keine Fontänen die 8 mal so groß sind wie man selbst, keine 90 Grad heiße Wassersäule, viel besser noch, es gibt einen Pool mit heilender Wirkung für Haut und Organe
und ein kleines zartes Blubbern, das Rücken und Beine nach der Pferdewanderung entspannt.
Die Wahrheit ist, die Fotos auf der Werbung trügen, es ist viel farbenfroher, gemütlicher und facettenreicher, Jermuks Natur ist bezaubernd.
Mathilda im Geysir - maximale Aufenthaltsdauer 15 Minuten: sonst gesundheitsschädlich!
Glück und Schmerz
Der Rückweg vergeht wie im Flug, wir reiten auf den Wiesen auch schon dreimal so schnell wie auf dem Hinweg. Unser Reitlehrer verabschiedet sich von uns knapp und wir bringen den Hengsten noch
Äpfel als Dank für den Sicheren Ausflug.
Nach dem Tag hoch zu Ross, bin ich glücklich, des heilenden Wasserbades, der Landschaft oder des Reitens wegen, keine Ahnung. Ich gebe dem Spruch meine Zustimmung, bin dennoch ein Kuhfan.
Mein Po schmerzt und ich bin erstaunt über den sonnengegerbten Mann, der uns Vertrauen schenkte und dem ich tatsächlich auch zutraute uns alle sicher zu leiten.
Sein Grundsatz, einfach mal draufloszureiten gefällt mir ganz gut, obwohl ich verwirrt war als mein Pferd einfach losritt. Dieser Tag passt perfekt zu unserer Reise, einfach mal drauflos und
schauen was passiert.
Jermuk, dein Wasser gefällt mir vor allem zum Baden, als Getränk ist es mir über die Tage auch sympathisch geworden. Ich habe keine Leber- und Herzprobleme dank dir, dafür aber Muskelkater.
Reiten in die Idylle - nachdenkliche Momente auf dem Rücken des Pferdes
Urlaub in Armenien - lohnt sich das überhaupt? Das hat für euch Waldemar mal genauer fokussiert.
Kommentar schreiben